Wahlprüfsteine 2019

 

Wahlprüfsteine gesamt

FDP zu Anker-Zentren

Frage

Flüchtlingsorganisationen lehnen die Einrichtung von Anker-Zentren und eine mehrmonatige bzw. mehrjährige Aufenthaltsdauer in Erstaufnahmeeinrichtungen ab und fordern stattdessen eine zügige Verteilung aller Schutzsuchenden, ungeachtet ihrer unterstellten Bleibeperspektiven, auf die Landkreise und kreisfreien Städte. Soziale Teilhabe und der Zugang zu (Schul-) Bildungsmöglichkeiten sowie unabhängigen Beratungsdiensten sind in Erstaufnahmeeinrichtungen oder Ankerzentren nur eingeschränkt oder gar nicht möglich. Zudem bieten sie erhebliches Konfliktpotential, wenn Menschen auf so engem Raum lange Zeit zusammenleben müssen.
1. Wie ist Ihre Position dazu?
2. Welche Pläne haben Sie für die Erstaufnahmeeinrichtung in Thüringen?
3. Welche Maßnahmen planen Sie, um ein strukturiertes Gewaltschutzkonzept in der Erstaufnahmeeinrichtung zu etablieren?

Antwort

Registrierung und Erstaufnahme inklusive der medizinischen Versorgung sollen in zentralen Unterbringungseinrichtungen erfolgen, in denen alle mit Asylverfahren befassten Behörden sowie die Verwaltungsgerichte eingebunden sind, damit der Schutzanspruch sowie etwaige Rechtsmittel gegen einen Ablehnungsbescheid schnell geprüft werden können. Hierbei soll auch eine unabhängige Rechtsberatung der Schutzsuchenden gewährleistet sein. Bereits in der zentralen Unterbringungseinrichtung sollen Sprach- und Integrationskurse durchgeführt werden, es sei denn, der Schutzsuchende hat offensichtlich keine Bleibeperspektive in Deutschland (z. B. weil er aus einem sicheren Herkunftsland kommt und dorthin voraussichtlich auch abgeschoben werden kann). Auch eine Basisbeschulung der Kinder soll sichergestellt werden. Im Falle einer Antragsablehnung und Ausweisung kann, falls der Ausreisepflichtige nicht freiwillig ausreist, die Rückführung durchgesetzt werden.
Ziel ist es grundsätzlich, das gesamte Anerkennungsverfahren in den zentralen Unterbringungseinrichtungen durchzuführen, damit sich die Kommunen auf die Integration Bleibeberechtigter konzentrieren können. Eine rechtsförmliche Entscheidung soll binnen weniger Wochen getroffen werden. Das Asylverfahren soll innerhalb von drei Monaten rechtskräftig abgeschlossen sein, wobei auch die Möglichkeiten eines beschleunigten Verfahrens (bisher § 30a AsylG) zwingend zu nutzen sind. Antragsteller sollen bis zum Abschluss des Verfahrens in der zentralen Unterbringungseinrichtung verbleiben und erst bei einem stattgebenden Asylbescheid dezentral auf die Kommunen weiterverteilt werden. In diesen zentralen Unterbringungseinrichtungen erhalten Asylbewerber soweit rechtlich möglich ausschließlich Sachleistungen.
Mit Blick auf ein gutes Zusammenleben in den Erstaufnahmeeinrichtungen setzen wir uns dafür ein, dass Flüchtlinge ab Zuteilung an die Kommunen von einem Wohnungsmanagement möglichst zügig dezentral untergebracht werden. Besonders schutzbedürftige Flüchtlinge, wie etwa LSBTI*-Personen, aber auch alleinreisende bzw. alleinerziehende Frauen sowie Schwangere und Familien mit Kindern sind prioritär zu vermitteln. Dabei sind geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Frauen und Kinder bei der Ankunft in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes in verständlicher Form über ihre Rechte, insbesondere in Bezug auf geschlechtsspezifische Gewalt, aufzuklären. Wir wollen, dass Dolmetscher, geschultes Sicherheitspersonal, Betreuer oder Sozialpädagogen zur Prävention geschlechtsspezifischer Gewalt eingesetzt werden, um den bestmöglichen Schutz zu gewährleisten. Des Weiteren fordern wir Freie Demokraten, Frauen und Kindern eine der EU-Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU) entsprechende Unterbringung zu ermöglichen sowie Schutz- und Rückzugsräume für Frauen und Kinder einzurichten, um sie vor geschlechtsspezifischer psychischer, körperlicher und sexualisierter Gewalt zu schützen.
Außerdem muss das Personal in der Betreuung und in den Flüchtlingslagern in Bezug auf Verfolgung und Diskriminierung der LSBTI sensibilisiert und geschult werden. Sie müssen als erste Ansprechpartner in den aufnehmenden Ländern Gespräche mit LSBTI führen können, in denen sie über die Rechtslage informieren und für ihren Schutz sorgen. Auch außerhalb der Unterkünfte müssen die Geflüchteten geschützt sein. Erste wichtige Schritte sind die Anerkennung der sexuellen Orientierung als Fluchtgrund sowie die Abschaffung der Diskriminierung in allen EU- und anderen Aufnahmeländern.