17. Juli 2012
Offener Brief an Landrat und Kreistagsfraktionen des Landkreis Schmalkalden-Meiningen

Der Flüchtlingsrat Thüringen e.V. hat sich mit einem Brief an die Mitglieder des Kreistages im Landkreis Schmalkalden-Meiningen und den dortigen Landrat gewandt mit der Aufforderung, die so genannte Gemeinschaftsunterkunft in Zella-Mehlis zu schließen und die BewohnerInnen dezentral in Wohnungen unterzubringen. Hintergrund ist die Tagesordnung der Kreistagssitzung am 17. Juli 2012.

Sehr geehrter Herr Landrat Heimrich,
sehr geehrte Mitglieder der Kreistagsfraktionen im Landkreis Schmalkalden Meiningen,

wie wir aus der Presse erfahren haben, beraten Sie heute über die Weiterführung der Gemeinschaftsunterkunft für  Flüchtlinge in Zella-  Mehlis bzw. deren  Schließung  und dezentraler Unterbringung.
Die Unterkunft stand und steht immer wieder in der Kritik aufgrund ihrer Lage, den desolaten Lebensbedingungen, der fehlenden Privatsphäre der Menschen, usw..
Wir  möchten  Sie  auffordern,  die  Gemeinschaftsunterkunft  zu  schließen  und Wir  möchten  Sie  auffordern,  die  Gemeinschaftsunterkunft  zu  schließen  und Wir  möchten  Sie  auffordern,  die  Gemeinschaftsunterkunft  zu  schließen  und Wir  möchten  Sie  auffordern,  die  Gemeinschaftsunterkunft  zu  schließen  und Flüchtlinge  im  Landkreis  dezentral  in  Wohnungen  unterzubringen  in  Orten  mit Flüchtlinge  im  Landkreis  dezentral  in  Wohnungen  unterzubringen  in  Orten  mit Flüchtlinge  im  Landkreis  dezentral  in  Wohnungen  unterzubringen  in  Orten  mit Flüchtlinge  im  Landkreis  dezentral  in  Wohnungen  unterzubringen  in  Orten  mit der Möglichkeit der sozialen Teilhabe. der Möglichkeit der sozialen Teilhabe. der Möglichkeit der sozialen Teilhabe. der Möglichkeit der sozialen Teilhabe.

Eine Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft bedeutet für Flüchtlinge Isolation,  Stigmatisierung,  sozio-kulturelle  Ausgrenzung  und  einen  erheblichen  Eingriff  in  die  individuelle  Lebensgestaltung.  Insbesondere  Kinder  leiden  unter  dieser  Art  der  Unterbringung.  Nach  unseren  Erfahrungen  besteht  ebenso  ein  Zusammenhang  zwischen  den  zum  Teil  hohen  medizinischen  Behandlungskosten  und  einer  Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft.

Die Praxis der Unterbringung von Flüchtlingen in Thüringen wird sehr unterschiedlich gehandhabt. So verfügen die Städte Eisenach, Sömmerda und Suhl faktisch über keine Gemeinschaftsunterkunft mehr. Erfurt bringt 76% und der Saale-Orla-Kreis 66 % der Flüchtlinge in dezentralen  Wohnungen  unter, im Landkreis  Schmalkalden-Meiningen sind es nur etwa 24% (Drucksache 5/4030 im Thüringer Landtag).

Bundesgesetzliche Grundlage für die Unterbringung von Flüchtlingen ist das Asylverfahrensgesetz. In § 53 ist die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften geregelt: (1) Ausländer, die einen Asylantrag gestellt haben und nicht oder nicht mehr verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, sollen in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. Hierbei sind sowohl das öffentliche Interesse als auch Belange des Ausländers zu berücksichtigen.

1999 kam das Verwaltungsgericht Meiningen in einem Urteil zu der Rechtsauslegung, dass es „nach dem Ausländerrecht keine gesetzliche Pflicht des Ausländers in einer bestimmten Unterkunft zu wohnen“ gibt. Der von BefürworterInnen der verpflichtenden Unterbringung in  Gemeinschaftsunterkünften  vorgetragene  §  53  des  Asylverfahrensgesetzes lässt eine solche Interpretation auch nicht zu. Zwar wird im Absatz 1 Satz 1AsylVfG ausgeführt, dass „Ausländer, die einen Asylantrag gestellt haben ... in der Regel in  Gemeinschaftsunterkünften  untergebracht werden“  sollen.  Im  Satz  2  heißt  es aber weiter, „hierbei sind sowohl das öffentliche Interesse als auch Belange des Ausländers zu berücksichtigen.“ Das erwähnte Urteil des Meininger Verwaltungsgerichtes bezog sich auf den Fall einer vollziehbar ausreisepflichtigen, also „geduldeten“, Familie, für die ebenso wenig eine Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft zwingend angenommen werden kann.

Zu berücksichtigen heißt in diesem Fall, dass die privaten Belange des Asylsuchenden gegenüber einem öffentlichen Interesse abgewogen werden müssen. Ein Automatismus der Höherwertigkeit des öffentlichen Interesses auf  eine Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft besteht demnach ganz eindeutig nicht. Das Asylverfahrensgesetz legt zudem die Art des öffentlichen Interesses keinesfalls fest. Insofern sich das öffentliche Interesse zugunsten der dezentralen Wohnungsunterbringung von Flüchtlingen  allgemein  ausgestaltet,  kann  grundsätzlich  auf  die  Einrichtung  einer  Gemeinschaftsunterkunft verzichtet werden.

Es ist daher darauf zu verweisen, dass es auch im öffentlichen Interesse liegt, auf eine Gemeinschaftsunterkunft bewusst zu verzichten, bspw. zum  Abbau  von  Vorurteilen, zur Sicherung des verfassungsrechtlich gebotenen Maßes an sozio-kultureller Teilhabe oder zum Schutz von Familie und Privatsphäre. Ohne Zweifel ist es auch so, dass die Beseitigung  bestehender  Diskriminierungen  von  Flüchtlingen  mit  dazu  beiträgt,  Vorurteile und rassistische Ressentiments und Einstellungen gegenüber Flüchtlingen und MigrantInnen abzubauen.
Hinsichtlich der Kosten ergab im Übrigen ein  Vergleich der  Unterbringungskosten in Gemeinschaftsunterkünften mit denen in Wohnungen in Thüringen, dass für die Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft Mehrkosten in Höhe von ca. 500 Euro pro  Jahr  und  untergebrachten  Flüchtling  entstehen.  Im  Landkreis  Schmalkalden-Meiningen  betrug  diese  Differenz  im  Jahr  2009  und  2010  sogar  etwa  1.000  Euro. (Drucksache 5/2649 im Thüringer Landtag).

Auch das Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetz, dass einerseits den politischen Willen des  Landes  gegenüber  den  Landkreisen  zum  Ausdruck  bringt  und  die  Ermessensanwendung steuert, aber keinesfalls ersetzt, sieht die dezentrale Unterbringung für eine große Anzahl der in Thüringen lebenden Flüchtlinge vor.

Sehr geehrte Damen und Herren,
die Ermöglichung des Lebens von Flüchtlingen in Wohnungen ist humanitär geboten sowie  rechtlich  möglich.  Viele  weitere  Argumente  sprechen  weiterhin  gegen  die weitere Vorhaltung einer Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in Zella-Mehlis, für die jetzt sogar erhebliche finanzielle Mittel eingesetzt werden sollen. Vor   diesem   Hintergrund   möchte   wir   Sie   bitten,   sich   für   die   Auflösung  der bestehenden  Gemeinschaftsunterkunft  und  für  ein  Leben  in  Wohnungen  für  Flüchtlinge einzusetzen.
Wir möchten Ihnen auf diesem Weg gerne anbieten, in einem persönlichen Gespräch Ihnen unsere Positionen vorzustellen und mit Ihnen mögliche Aufnahmebedingungen für  Flüchtlinge  im  Landkreis  Schmalkalden-Meiningen  zu  erörtern.  Gerne  bieten  wir Ihnen  auch  an,  Sie  als  Flüchtlingsrat  Thüringen  e.V.  bei  der  Umsetzung  einer  menschenwürdigen  Aufnahme  von  Flüchtlingen  zu  begleiten  und  im  Rahmen  unserer Möglichkeiten zu unterstützen.

Mit freundlichen Grüßen
Ellen Könneker