20. August 2015
Flüchtlingsrat bestürzt über die Ereignisse in der Landesaufnahmestelle in Suhl

Überbelegung muss schnellstens beendet werden

Der Flüchtlingsrat Thüringen e.V. ist bestürzt über die Ereignisse in der gestrigen Nacht in der Landeserstaufnahmestelle in Suhl. Ellen Könneker vom Flüchtlingsrat Thüringen e.V. macht angesichts des Vorfalls deutlich: "Die Ereignisse von vergangener Nacht zeigen, dass die Überbelegung der Erstaufnahmestellen dringend beseitigt werden muss, damit soziale Spannungen verringert werden können."

Bereits vor zwei Wochen hatte der Flüchtlingsrat die desolaten Zustände und die Überbelegung der Landeserstaufnahmestellen Eisenberg und Suhl kritisiert. Die Thüringer Landesregierung hatte sich  bemüht mit dem Landesverwaltungsamt und der örtlichen Ordnungsbehörde, die dringendsten Maßnahmen beim Brandschutz und der Hygiene anzugehen sowie weitere Unterbringungsplätze vorzeitig zur Verfügung zu stellen. Dennoch wurde damit das Problem der Überbelegung nicht behoben. Obwohl nur für 1200 Menschen ausgelegt, befanden sich am Mittwochmorgen 1579 Asylsuchende in der Erstaufnahmestelle. "Die Situation ist derzeit so schlimm, dass von Hygienestandards und menschenwürdiger Unterbringung keine Rede sein kann. Selbst die Essensversorgung wird zur Geduldsprobe für die untergebrachten Menschen. Sie stehen teilweise zwei Stunden für Essen an. Bei den aktuellen Zahlen gehen wir davon aus, dass pro Person weniger als 3,5m² zur Verfügung stehen. Eine Privatsphäre und mögliche Rückzugsräume existieren nicht. Solche Unterbringungssituationen führen zu massiven sozialen Spannungen und einer aufgeheizten Stimmung. Die Situation in Suhl führt dramatisch vor Augen, zu welcher Eskalation solche Bedingungen führen können", so Könneker weiter.

Angesichts der Situation in Suhl fordert der Flüchtlingsrat die Thüringer Landesregierung auf, das System der Landesaufnahme zu entlasten:

  • Ermöglichen der Unterbringung Asylsuchender bei bereitwilligen Verwandten und Bekannten in Thüringen, statt der Zwangszuweisung in das Nadelöhr Landeserstaufnahmestelle
  • im Krisenfall schnellere Zuweisung in die Kommunen
  • die Öffnung des privaten Wohnungsmarktes für die Unterbringung von geflüchteten Menschen
  •  schnelle Zurverfügungstellung weiterer Kapazitäten in der Landesaufnahme sowie eine effektive Notfallplanung, um Überbelegungen dieser Art zu vermeiden
  • Berücksichtigung besonders schutzbedürftiger Personengruppen: von den circa 1500 zum Teil traumatisierten BewohnerInnen, darunter viele Kinder, muss die Situation in der vergangenen Nacht entsetzlich gewesen sein. Es braucht daher eine besondere Unterbringung und Schutzräume für diese Menschen.

Besorgniserregend sind währenddessen die Versuche von Rechtsextremen die Auseinandersetzung unter Geflüchteten für ihre Zwecke zu missbrauchen. Obwohl der Gewaltausbruch spät am Abend passierte, befanden sich während der Ereignisse Neonazis aus Südthüringen direkt vor Ort und berichteten live in den sozialen Netzwerken. Auf den Seiten einschlägig bekannter Rechtsextremisten waren Aufrufe zur Gewalt zu lesen. Vor Ort auf dem Friedberg erteilte die Polizei schließlich einigen Gruppen Platzverweise, um einer Eskalation der Gewalt von Rechts vorzubeugen. "Es liegt nun auch an Polizei und Zivilgesellschaft die Asylsuchenden zu unterstützen und sie vor etwaigen Übergriffen rechter GewalttäterInnen und StimmungsmacherInnen zu schützen. Wer den Gewaltausbruch als Anlass nutzt, um über Geflüchtete zu urteilen, verkennt sowohl die kleine Anzahl der Täter, die extrem belastende Situation für die Menschen in den überfüllten Erstaufnahmestellen als auch die politische Brisanz der aktuellen Lage", so Ellen Könneker abschließend. Erst am vergangenen Montag versammelten sich 250 extrem Rechte DemonstrantInnen, in unmittelbarer Nähe zur Landeserstaufnahmestelle.