Vater soll kurz vor Geburt seines Kindes aus dem Krankenhaus abgeschoben werden

UPDATE: Am 3. April 2019 veröffentlichte RADIO F.R.E.I. ein halbstündiges Feature zum Thema, in welchem die Betroffenen erstmals zu Wort kommen und die gravierenden Folgen dieses Polizeieinsatzes schildern. Auch medizinische Einschätzungen und verschiedene zivilgesellschaftliche Akteur*innen wie beispielsweise das Grundrechtekomitee stellen klar, dass dieser Abschiebeversuch ein schwerer Verstoß gegen den grundrechtlich garantierten Schutz der Familie darstellte. Zudem veröffentlichte das zuständige Ministerium am 15. März 2019 einen Erlass, der die Abschiebung aus Krankenhäusern einschränkt.

 

Am 10. Oktober 2018, nachts gegen 2 Uhr, wurde ein werdender Vater im Krankenhaus Saalfeld von seiner Frau getrennt, die bereits in den Wehen lag. Acht uniformierte Polizeibeamt*innen und mindestens ein Mitarbeiter der Ausländerbehörde Saalfeld – Rudolstadt seien ins Krankenhaus gekommen, um ihn nach Italien, das für sein Asylverfahren zuständig sein soll, abzuschieben.

Ohne Rücksicht auf den grundrechtlichen Schutz der Familie, das besondere Ereignis für das junge Paar und das gesundheitliche Wohl der Frau und des noch ungeborenen Kindes, sei der Mann unter demütigenden Umständen abgeführt und zum Flughafen nach Frankfurt gebracht worden.

Nachdem sie den werdenden Vater nicht in der Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge für die nächtliche Abschiebung angetroffen hatten, waren die Beamt*innen offensichtlich ohne jeglichen Skrupel zur Entbindungsstation ins Krankenhaus gegangen. Dem couragierten Einsatz der diensthabenden Hebammen, Gabriele H. und Gabriele S., ist zu verdanken, dass die Abschiebung in letzter Minute noch gestoppt werden konnte. Der werdende Vater befand sich da wohl bereits am Frankfurter Flughafen. Durch ihren Einspruch bei zuständigen Akteur*innen und dem Protest des betroffenen Vaters, wurde die Abschiebung offensichtlich behördlicherseits beendet. Der Mann konnte in Folge zu seiner Frau und dem Neugeborenen zurückfahren.

„Dass so etwas in Thüringen und in unserem Landkreis möglich ist, schockiert mich. Den Behörden war bekannt, dass das junge traditionell verheiratete Paar ein gemeinsames Baby erwartet und es lag sogar eine vorgeburtliche Vaterschaftsanerkennung vor. Unser Dank gilt allen, die dazu beigetragen haben, dass die Abschiebung in letzter Minute gestoppt wurde“, so Gertraud Jermutus von der Caritas Sozialberatung in Saalfeld.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Thüringer Landesärztekammer, Helmut Krause, sagt: „Der gesundheitliche und medizinische Raum des Krankenhauses ist eine Grenze für den Vollzug von Abschiebungen. Es bleibt unverständlich, warum diese Grenze ein zweites Mal in diesem Jahr in Thüringen nicht respektiert wurde. Wir erwarten, dass der Schutzraum Krankenhaus und die menschenrechtlichen Aspekte in solchen Situationen gewahrt werden.“

„Die unsäglichen Debatten über höhere Abschiebezahlen und vermeintliche „Vollzugsdefizite“ schaffen den Raum für ein derartiges behördliches Vorgehen. Damit muss jetzt Schluss sein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die Ausländerbehörden müssen den grundrechtlichen Schutz von Ehe und Familie und menschenrechtliche Standards wahren. Wir fordern sowohl das BAMF als auch die zuständigen Thüringer Ministerien auf, unverzüglich sicherzustellen, dass sich derartiges keinesfalls wiederholt“ so Ellen Könneker vom Flüchtlingsrat Thüringen e.V.