Unterbringung u. Wohnen
Wenn Asylsuchende in Deutschland ankommen, werden sie zunächst nach dem EASY-System auf die Bundesländer verteilt. Die erste Zeit verbringen sie in den Landesaufnahmestellen eines Bundeslandes. Mit dem seit 2017 geltenden "Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht" werden die Länder ermächtigt, die Aufenthaltsdauer in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu bestimmen. Die maximale Aufenthaltsdauer beträgt zwei Jahre. In Thüringen ist die Landesaufnahmestelle in Suhl. Die Aufenthaltsdauer beträgt hier zurzeit nur einige Wochen. Danach werden die Asylsuchenden den Landkreisen und kreisfreien Städten zugewiesen (siehe Thüringer Flüchtlingsverteilungsverdordnung). Bei der Verteilung und Zuweisung auf die Bundesländer und Landkreise werden Wünsche und Bedarfe (Kontakte zu Freunden oder Bekannten in Deutschland) der Asylsuchenden in aller Regel nicht berücksichtigt. Der Schutz der Kernfamilie muss aber gewährleistet werden.
Nach den gesetzlichen Vorgaben (§53 AsylG und §2 Abs. 4 ThürFlüAG) werden die Flüchtlinge in den Landkreisen/kreisfreien Städten in Sammelunterkünften oder Wohnungen untergebracht. Dies ist abhängig vom jeweiligen Landkreis oder der kreisfreien Stadt. Die Sozialämter sind zuständig für die Unterbringung und damit auch für die Anmietung von Wohnraum.
Inwieweit bei Sammelunterkünften und anderen Unterbringungen die Privatheit gewährt ist und entsprechend der grundrechtliche Schutz der Wohnung (Art. 13 GG) greift, beleuchtet eine Analyse des Deutschen Instituts für Menschenrechte vom Oktober 2018.
Der Flüchtlingsrat besucht regelmäßig Menschen
in Sammellagern in ganz Thüringen. Die Berichte
unserer einzelnen Besuche finden Sie in
unserem "Lagertour"- Blog.
- Investitionspauschale
- Problematiken Sammelunterbringung
- Menschenwürdige Wohnraumversorgung
- Gewaltschutz
- Rechtliche Grundlagen
- Landesaufnahmestelle
- Weiterführende Materialien
Nach der Thüringer Kostenerstattungsverordnung erhalten die Landkreise/kreisfreien Städte vom Land pro aufgenommenem Flüchtling und Monat Pauschalen für die Unterbringung, für soziale Leistungen und Sozialbetreuung sowie Gelder für die Bewachung. Kosten für die medizinischen Leistungen werden im Rahmen der Gesundheitskarte finanziert. Laut der Thüringer GUSVO gelten als Mindestwohnfläche für Flüchtlinge sechs Quadratmeter pro Person. Das heißt in einem 24 Quadratmeter großen Zimmer in einer Gemeinschaftsunterkunft dürften vier Personen auch über lange Zeit untergebracht werden. Toiletten, Duschen und Küche werden oft von vielen geteilt.
Zusätzlich wurden 2015 und 2016 Investitionspauschalen in erheblichem Umfang für die Neuschaffung von Unterbringungsplätzen in Gemeinschaftsunterkünften vom Land Thüringen an die Kommunen ausgezahlt. Die mit diesen Mitteln errichteten Unterkünfte haben eine Mindestnutzungsdauer von fünf Jahren (siehe §3 der ThürFlüKEVO). Da infolge der verschärften Grenzsicherung Europas weniger Schutzsuchende nach Deutschland kamen, standen neu gebaute Sammelunterkünfte leer bzw. waren nicht ausgelastet. So wurden in manchen Landkreisen Wohnungen, die das Sozialamt für Geflüchtete angemietet hatte, gekündigt und die Geflüchteten wieder den Sammelunterkünften zugewiesen. Zudem haben seitdem Geflüchtete oftmals wenig Chancen schon während des Asylverfahrens in eine Wohnung zu ziehen.
Dies führt zu einer fortschreitenden Zentralisierung der Wohnraumversorgung für Geflüchtete. Auch anerkannte Flüchtlinge sind nun davon betroffen, da die Landkreise ein Interesse an der Auslastung der neu geschaffenen Sammelunterkünfte haben, die Situation auf dem Wohnungsmarkt angespannt ist und Migrant*innen auf dem Wohnungsmarkt diskriminiert werden (siehe auch Projekt Hanna und Ismail).
Stattdessen müssen für Geflüchtete genügend Beratungs- und Unterstützungsangebote für die Wohnungssuche eingerichtet werden. Zudem bedarf es der Schaffung von ausreichend Wohnraum für alle Menschen mit geringem Einkommen. Der Zugang zu bezahlbarem Wohnraum für Geflüchtete muss durch die kommunalen und privaten Wohnungsbaugenossenschaften und Vermieter*innen sichergestellt werden.
Der Wohnort und auch die Art der Unterbringung wird den Flüchtlingen meist ohne eigenes Mitspracherecht zugewiesen. In Sammelunterkünften sind Privatsphäre oder Rückzugsmöglichkeiten selten beziehungsweise ausgeschlossen. Außerdem befinden sich mehrere der Sammelunterkünfte Thüringens in Stadtrandlage oder kleineren Orten mit unzureichender Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Abgeschottet von der Gesellschaft, räumlich sehr beengt und oft ohne eine Möglichkeit zur Betätigung müssen Flüchtlinge einen tristen Alltag leben, weshalb viele psychisch und physisch krank werden oder nicht genesen können. Zudem bieten Sammelunterkünfte einen Angriffspunkt für Stimmungsmache und rassistische Übergriffe. Im Jahr 2017 wurden in Thüringen 81 Brandanschläge und sonstige Angriffe auf Unterkünfte registriert (siehe Chronik flüchtlingsfeindlicher Vorfälle der Amadeu Antonio Stiftung und PRO ASYL).
Viele dieser Probleme können mit einer Unterbringung in Wohnungen in Orten mit guter Erreichbarkeit und Infrastruktur (Ärzt*innen, Einkaufs-, Freizeit-, Bildungsmöglichkeiten, Beratungsangebote) gelöst werden oder entstehen erst gar nicht. Um eine gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, sind Flüchtlinge besonders auf diese Strukturen angewiesen. Darüber hinaus bedarf es Mindeststandards für die Unterbringung in Wohnungen. Innerhalb der Sammelunterbringung können Gewaltschutzkonzepte strukturell bedingten Konflikten und individuellen Gefährdungen entgegen wirken. Mehr dazu erfahren Sie im Themenpunkt Gewaltschutz.
- Die Frage, was darf die Heimleitung, hat der Flüchtlingsrat Brandenburg hier in mehreren Sprachen beantwortet. November 2018
- April 2020: Rechtsanwältin Anja Lederer hat eine gutachtliche Stellungnahme zum Anspruch auf kostenfreien Zugang zum Internet in Unterkünften für Geflüchtete veröffentlicht. Sie kommt zu dem Schluss, "dass geflüchteten Menschen in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften unter verschiedensten rechtlichen Gesichtspunkten, insbesondere nach dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG sowie gemäß § 6 Abs. 1 AsylbLG, ein Anspruch auf kostenfreien Zugang zum Internet zusteht".
Grundlage für eine gelingende soziale Teilhabe ist die Entwicklung eines kommunalen und tragfähigen Unterbringungs-, Beratungs- und Unterstützungskonzeptes. Dieses sollte die Sozialbetreuung, Asylberatung, Anlaufstellen beziehungsweise offene Treffs, Schulen, Kindergärten, Ärzt*innen, Sprachlernangebote, Freizeit, Bildung, Arbeit sowie Einbindung und Koordination ehrenamtlicher Unterstützer*innen im Blick haben. Oft stehen Geflüchteten entsprechende Angebote nur unzureichend zur Verfügung.
Der Flüchtlingsrat Thüringen e.V. fordert das dezentrale und selbstbestimmte Wohnen für alle Geflüchtete unabhängig ihres Aufenthaltsstatus.
Mit dem "Flüchtlingspolitischen Positionspapier zur Aufnahme, Unterbringung und Integration von Flüchtlingen in Thüringen" hat der Flüchtlingsrat Thüringen im April 2015 Mindestbedingungen und -forderungen zur Aufnahme, Unterbringung und Integration von Flüchtlingen in Thüringen formuliert, die aus Sicht des Vereins Grundlage für eine humanitäre Flüchtlingspolitik in Thüringen darstellen.
Der Flüchtlingsrat Thüringen ist regelmäßig auf Lagertour und besucht Flüchtlingsunterkünfte vor Ort. Die Berichte aus der Sicht der Geflücheten finden Sie auf unserem Blog.
zum Themenpunkt "Gewaltschutz"
Verschiedene rechtliche Grundlagen regeln die Aufnahme, Verteilung, Kostenerstattung, Ausstattung, Sozialbetreuung, etc.:
- § 53 AsylG
- Thüringer Flüchtlingsverteilungsverordnung (ThürFlüVertVO)
- Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetz (ThürFlüAG)
- Thüringer Gemeinschaftsunterkunfts- und Sozialbetreuungsverordnung (ThürGUSVO)
- Thüringer Verordnung über die Kostenerstattung nach dem Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetz (ThürFlüKEVO)
Die rot-rot-grüne Landesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag 2014 darauf verständigt, die dezentrale Unterbringung in Wohnungen zu forcieren: "Leitbild für die Unterbringung von Flüchtlingen wird die dezentrale Unterbringung sein" (Auszug aus dem Koalitionsvertrag, S. 26)
In Thüringen war es immer landkreisabhängig, ob in Sammelunterkünften oder überwiegend oder ausschließlich dezentral in Wohnungen untergebracht wurde (siehe Kleine Anfrage 2014: Gemeinschaftsunterkünfte in Thüringen - Teil 1, dr6/63, 18.12.2014). Seit 2015 findet in vielen Orten in Thüringen eine zunehmende Zentralisierung der Wohnraumversorgung statt.
In Thüringen gibt es aktuell eine Landesaufnahmestelle:
Thüringer Landesaufnahmestelle Suhl (seit Juli 2014)
Weidbergstr. 22, 98528 Suhl
Tel.: 0911/ 943 2820-3, Fax: 03681/ 8049775
Email: SUL-Posteingang[a]bamf.bund.de
Hier geht es zum Liniennetzplan Suhl
Sozialbetreuung: DRK Suhl - mehr Informationen auf der Homepage des DRK
Asylverfahrensberatung:
Evangelischer Kirchen Kreis
Kirchgasse 10; 98527 Suhl
E-Mail: Asylberatung.Suhl[a]ekmd.de
Mobil: Adelino Massuviera 0176-43375463, Barbara Gottwald 01512-8971514
Bis 2016 existierte die Landesaufnahmestelle in Eisenberg. Der Umgang mit den Bewohner*innen und die dortigen Lebensverhältnisse führten zu massiver Kritik. Hierzu der Film von der Initiative Yalla Connect "Geflüchtete sind Menschen – auch in Eisenberg".
- Positionspapier: Soziale Arbeit mit Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünften Hrsg: Initiative Hochschullehrender zu Sozialer Arbeit in Gemeinschaftsunterkünften (2016)
- "Unterbringung von Flüchtlingen in Deutschland. Regelungen und Praxis der Bundesländer im Vergleich" Hrsg: Pro Asyl (2014)
- Menschenrechtliche Verpflichtungen bei der Unterbringung von Flüchtlingen. Empfehlungen an die Länder, Kommunen und den Bund. Hrsg: Deutsches Institut für Menschenrechte (2014)
- Positionen zur Aufnahme, Wohnraumversorgung und Unterbringung von Flüchtlingen Hrsg: Diakonie (2014)
- Rassismus auf dem Wohnungsmarkt, Antidiskriminierungsberatung Brandenburg, Januar 2017