Der Flüchtlingsrat Thüringen e.V. solidarisiert sich mit den Bewohner:innen der Gemeinschaftsunterkunft in Obermehler und ihrem Protest für die Wiederaufnahme des öffentlichen Personennahverkehrs. Wir rufen Landrat Thomas Ahke und den Omnibusbetrieb und Reiseservice Olaf Weingart dazu auf, die Haltestelle der Unterkunft für Geflüchtete wieder anzufahren.
In zwei offenen Briefen an Busunternehmen und Landratsamt fordern die Bewohner:innen, dass der Busverkehr nach einem Vorfall am 12. August wieder aufgenommen wird. „Die Lage der Gemeinschaftsunterkunft ist abgelegen und isoliert. Der Öffentliche Nahverkehr ist unsere einzige Verbindung in die deutsche Gesellschaft, aber auch zu Ärzt:innen, Schulen, Sprachkursen, Ämtern und Behörden“, heißt es im Brief an Thomas Ahke.
Mehr als 600 Menschen, darunter Familien mit Kindern, ältere Personen, Kranke und Schwangere, sind damit faktisch von Mobilität abgeschnitten. Der nächste Halt liegt in Schlotheim, drei Kilometer Fußweg entfernt. Die Mehrheit der Geflüchteten in der Unterkunft besitzt ein Deutschlandticket, kann es aber nicht nutzen, da die Haltestelle nicht mehr angefahren wird.
„Geflüchtete werden durch solche Maßnahmen noch weiter isoliert“, erklärt Sabine Berninger, Vorständin des Flüchtlingsrats Thüringen e.V. „Das ist eine kollektive Bestrafung, die Menschen von elementaren Bedürfnissen wie medizinischer Versorgung, Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe abschneidet.“ Im Brief heißt es weiterhin: „Und genau aus dieser Isolierung entstehen zahlreiche Probleme: Menschen, die nach Deutschland geflohen sind, um hier Schutz zu finden, fühlen sich einsam und werden psychisch krank. […] Wir fühlen uns wie Aussätzige, die von der deutschen Gesellschaft ferngehalten werden, sich aber gleichzeitig in diese Gesellschaft integrieren sollen.“
Die Bewohner:innen der GU erheben deutliche Forderungen:
- Sofortige Wiederaufnahme der Linie 123 zur GU Obermehler.
- Überprüfung der Unterkunft und konsequente Schließung bei anhaltenden strukturellen Missständen.
Der Flüchtlingsrat Thüringen e.V. fordert zusätzlich:
- Verbesserung des Fahrplans: Die Haltestelle der Unterkunft soll nicht nur wieder angefahren werden, sondern muss regelmäßig und zu bedarfsgerechten Zeiten bedient werden. Bisher fahren werktags lediglich fünf Busse in jede Richtung, die letzte Rückfahrt zur Unterkunft ist bereits um 16:42 Uhr (Stand 10/2024). Am Wochenende gibt es gar keine Verbindung. Diese Situation verstärkt die Isolation der Bewohner:innen. Gesellschaftliche Teilhabe findet nicht nur zu Behördenzeiten statt.
In ihrem Schreiben an das Verkehrsunternehmen weisen die Bewohner:innen außerdem darauf hin, dass die Ursache der Eskalation am 12. August 2025 im Fehlverhalten des Busfahrers lag, der wiederholt Personen ohne gültiges Ticket einsteigen ließ und bestimmte Fahrgäste bevorzugte. Die überwiegende Mehrheit der Geflüchteten in Obermehler besitzt ein Deutschlandticket und nutzt den ÖPNV regelkonform.
„Wir fordern die Verantwortlichen im Landkreis und beim Verkehrsunternehmen auf, die Haltestelle umgehend wieder anzufahren und die Bewohner:innen nicht für das Verhalten Einzelner pauschal abzustrafen“, so Berninger. „Die Menschen in Obermehler brauchen Anschluss an die Gesellschaft, nicht noch mehr Isolation.“
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